Stell dir vor, es treffen innerhalb weniger Stunden zehn, zwanzig oder sogar fünfzig Bewerbungen ein. Der Tag ist voll, Entscheidungen müssen vorbereitet werden – und eine KI hilft, Unterlagen schneller zu sichten, zu sortieren und zusammenzufassen.
Genau so sollte KI im Recruiting eingesetzt werden: unterstützend, entlastend und transparent.
Die Entscheidung bleibt aber immer beim Menschen. Und genau das ist der zentrale rechtliche Punkt.
Warum KI im Recruiting sinnvoll ist – und wo die Grenze liegt
KI kann Personalabteilungen entlasten, Fehler reduzieren und Prozesse vereinheitlichen. Aber: Ab dem Moment, in dem KI aktiv in Auswahlentscheidungen eingreift, gelten schärfere Regeln.
Denn jede Entscheidung im Recruiting hat Auswirkungen auf die berufliche Zukunft eines Menschen. Und diese darf – rechtlich – niemals ausschließlich durch ein automatisiertes System getroffen werden.
Was KI im Recruiting darf – korrekt und rechtssicher
KI darf im Bewerbungsprozess unterstützend arbeiten. Dazu gehören:
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- Lebensläufe strukturieren und zusammenfassen
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- Stellenanzeigen formulieren oder überarbeiten
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- Anforderungsprofile erstellen
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- Kompetenzen vorfiltern (ohne automatische Entscheidung)
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- Vorschläge oder Einschätzungen erzeugen
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- Interviewleitfäden und Fragen vorbereiten
Entscheidend ist die Formulierung:
Eine KI darf bewerten – aber diese Bewertung darf nie automatisch zu einer Entscheidung führen.
Ein Mensch prüft, interpretiert und entscheidet final.
Was KI im Recruiting nicht darf – rechtlich relevante Grenzen
KI darf nicht:
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- Bewerber automatisch ablehnen
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- Auswahlentscheidungen ohne menschliche Kontrolle treffen
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- Ergebnisse erzeugen, die ungeprüft umgesetzt werden
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- Entscheidungen treffen, die wesentliche Auswirkungen haben
Warum?
Weil laut DSGVO automatisierte Entscheidungen mit erheblicher Auswirkung verboten sind.
Und eine Ablehnung im Bewerbungsprozess ist eine erhebliche Auswirkung.
Merksatz:
👉 KI darf unterstützen, aber niemals automatisch über Chancen eines Bewerbers entscheiden.
High-Risk KI – einfach erklärt
High-Risk ist jede KI, die aktiv in die Auswahl eingreift, zum Beispiel:
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- Bewertung oder Scoring von Bewerberprofilen
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- Ranking oder Punktesysteme
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- Eignungsanalysen
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- Systeme, die Einfluss auf Einladung oder Ablehnung haben
Warum High-Risk?
Weil sie Grundrechte berührt – berufliche Zukunft, Gleichbehandlung, faire Auswahl.
Nicht-High-Risk KI – einfach erklärt
Nicht-High-Risk sind KI-Einsätze, die:
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- Texte formulieren
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- Informationen strukturieren
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- Unterlagen sortieren
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- Interviews vorbereiten
Merksatz:
👉 Je näher KI an der Entscheidung arbeitet, desto strenger die Regeln.
Was bedeutet das im Arbeitsalltag? – Beispiele für KI im Recruiting
So wäre der KI-Einsatz richtig
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- KI fasst Lebensläufe in Stichpunkten zusammen
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- ein Mensch prüft die Zusammenfassung
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- die Entscheidung über eine Einladung trifft immer eine Person
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- Gründe werden sauber dokumentiert
So wäre der KI-Einsatz falsch
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- KI erstellt Scores oder Rankings
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- KI sortiert automatisch Kandidaten aus
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- kein Mensch prüft oder hinterfragt das Ergebnis
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- Bewerber erfahren nichts über den Algorithmus
Warum wäre das rechtswidrig?
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- rein automatisierte Ablehnung
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- keine menschliche Bewertung
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- erhebliche Auswirkung auf Betroffene
Müssen Unternehmen angeben, dass sie KI nutzen?
Kurzantwort: Nein – aktuell besteht keine generelle Pflicht.
ABER: Für Candidate Experience, Vertrauen und Fairness empfiehlt es sich.
Empfehlenswerte Formulierung:
„Wir nutzen digitale Tools zur Unterstützung im Auswahlprozess – die Entscheidung treffen immer Menschen.“
Die 5 wichtigsten Regeln für sicheren KI-Einsatz
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- KI unterstützt – der Mensch entscheidet.
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- Jede KI-Auswertung wird manuell geprüft.
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- Keine automatische Ablehnung.
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- Interviews strukturiert führen (STAR, Scorecards).
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- Entscheidungen nachvollziehbar dokumentieren.
Diese fünf Punkte decken sowohl DSGVO als auch AI Act ab – und schützen Unternehmen vor Fehlern.
Warum Unternehmen von KI im Recruiting profitieren – trotz Regeln
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- weniger Zeitaufwand
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- bessere Vergleichbarkeit
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- geringere Fehlbesetzungsquote
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- professionelle Candidate Experience
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- moderner Arbeitgeberauftritt
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- klare, gleichbleibende Prozesse
KI ist kein Risiko – wenn sie richtig eingesetzt wird. Im Gegenteil: Sie ist ein Wettbewerbsvorteil.
Rechtliche Grundlagen einfach erklärt
DSGVO – automatisierte Entscheidungen
Art. 22 Abs. 1 DSGVO:
„Die betroffene Person hat das Recht, nicht einer ausschließlich automatisierten Entscheidung unterworfen zu werden …“
➡️ bedeutet: Eine Ablehnung darf nie nur durch ein KI-System erfolgen.
EU Artificial Intelligence Act – High-Risk
Anhang III Nr. 4 lit. a
KI-Systeme zur Bewertung, Filterung oder Auswahl von Bewerbern sind High-Risk.
➡️ bedeutet: Strengere Anforderungen, Dokumentation, menschliche Kontrolle.
Über die Autorin: Michaela Rütten
Ich unterstütze Unternehmen dabei, KI sicher, fair und professionell in ihre Recruiting-Prozesse zu integrieren – mit Trainings, Interviewleitfäden und praxistauglichen Prozessen.
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- ehemalige Head of Recruiting
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- Recruiting-Trainerin
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- Interview-Expertin
Mehr dazu einfach Termin buchen auf: https://michaela-ruetten.de/kontakt/